Dr. Dirk R. Wassenberg, Chefarzt der Viszeralchirurgie am St. Remigius Krankenhaus Opladen, im Interview über ein unterschätztes Organ: die Schilddrüse.
Die Schilddrüse ist ein kleines, zartes Organ. Im Normalzustand kaum größer als zwei Walnüsse erinnert sie in ihrer äußeren Form an einen Schmetterling. Dr. Dirk R. Wassenberg, Chefarzt der Viszeralchirurgie am St. Remigius Krankenhaus Opladen, über die wichtige Funktion des unscheinbaren Organs – und warum bei manchen Störungen eine Operation angeraten ist.
Welche Aufgaben übernimmt die Schilddrüse im menschlichen Körper?
Dr. Dirk R. Wassenberg: Die Schilddrüse ist die Schaltzentrale für viele Stoffwechselvorgänge. Aus Jod und Eiweißbausteinen erzeugt sie das Hormon Thyroxin, speichert es und gibt es bei Bedarf ins Blut ab. Damit beeinflusst sie wichtige Funktionen im Körper: Stoffwechsel, Herz und Kreislauf, Magen und Darm, Nerven und Muskeln. Aber auch die Persönlichkeit, die Psyche, Sexualität und Fruchtbarkeit, sogar das Wachstum von Haut, Haaren und Nägeln werden von der Schilddrüse mitbestimmt.
Dann sind die Symptome sicher vielfältig, wenn die Schilddrüse nicht mehr richtig arbeitet?
Dr. Dirk R. Wassenberg: Sie sind nicht nur vielfältig, sondern auch vollkommen gegensätzlich je nachdem, welcher Art die Störung ist. Herzrasen, Panikattacken, Gewichtsverlust deuten auf einen Hormonüberfluss. Trägheit, depressive Stimmung und Gewichtszunahme können dagegen mit einem Hormonmangel in Verbindung gebracht werden. Diese Symptome hat sicher jeder schon irgendwann an sich beobachtet, und sie können auch andere Ursachen habe. Die Schilddrüse sollte aber bei der Diagnosefindung immer mitgedacht werden. Zumal Schilddrüsenerkrankungen keine Seltenheit sind. Etwa ein Drittel der Deutschen hat Probleme mit ihr, ab dem 45. Lebensjahr sogar jeder Zweite. Frauen sind in der Regel häufiger betroffen als Männer.
Wie kann man denn sicher sein, dass die Schilddrüse die Ursache ist?
Dr. Dirk R. Wassenberg: Um eine Funktionsstörung der Schilddrüse abzusichern, sind Blutuntersuchungen und Ultraschall obligatorisch. Bei Bedarf kann eine Szintigrafie als bildgebende nuklearmedizinische Untersuchung Aufschluss darüber geben, ob Knoten heiß – also hormonaktiv – oder kalt – inaktiv – sind.
Gibt das schon einen Hinweis, ob die Knoten gutartig sind oder eine Krebserkrankung vorliegt?
Dr. Dirk R. Wassenberg: Nein. Die Aktivität allein lässt keine Rückschlüsse auf eine Krebserkrankung zu. Auch eine Feinnadelpunktion, mit der Proben aus den Knoten genommen werden, gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Erst der Pathologe kann nach einer vollständigen Untersuchung des Knotens nach der Operation die Gewissheit geben.
Dann empfehlen Sie die Operation bei Knoten?
Dr. Dirk R. Wassenberg: Bei kalten Knoten ja. Bei ihnen ist die Gefahr, dass sie bösartig sind beziehungsweise werden deutlich höher. Und Schilddrüsenkrebs ist, wenn er früh erkannt wird, in den meisten Fällen allein durch eine Operation heilbar. Aber auch kalte Knoten oder Vergrößerungen können im Alltag Schwierigkeiten bereiten, zum Beispiel, wenn sie auf die Luftröhre drücken.
Werden die Operationen im St. Remigius Krankenhaus durchgeführt?
Dr. Dirk. R. Wassenberg: Ja, wir führen alle gängigen Schilddrüsenoperationen durch: Von der gesamten oder teilweisen Entfernung der Schilddrüse über die Entfernung der Lymphknoten rund um die Schilddrüse bis zur Entfernung oder Verpflanzung der reiskorngroßen Nebenschilddrüsen in die Halsmuskulatur, um deren Funktionsfähigkeit zu erhalten. Die Nebenschilddrüsen regulieren über das Parathormon den Calciumspiegel im Blut. Fehlfunktionen können zu muskulären, aber auch zu Lungen- oder Blasenkrämpfen führen. Routinemäßig werden alle Operationen an der Schilddrüse wegen der feinen Strukturen mit Lupenbrille durchgeführt. Über ein Neuromonitoring und eine Video-Laryngoskopie werden während der OP der Stimmbandnerv und die Funktion der Stimmbänder überprüft.
Bleiben Narben zurück?
Dr. Dirk R. Wassenberg: Wir achten natürlich auch auf die Optik und verstecken die Narbe beispielsweise in einer Halsfalte.